Erfahren Sie, wie ein Klavierstimmer Klaviere stimmt und welche Klavierstimm-Techniken dabei zum Einsatz kommen.
Wenn Sie auf Ihrem Klavier eine Taste drücken, schlägt das Hämmerchen bis zu drei Saiten – den Saitensatz bzw. Saitenchor – gleichzeitig an. Die Spannung der Saiten verändert sich mit der Zeit, wo nicht mehr nachgestimmt wird, ungleichmässig und das Klavier klingt verstimmt.
Der Klavierstimmer nutzt beim Klavierstimmen eine präzise Klavierstimmtechnik, um die Saiten optimal aufeinander abzustimmen.
Beim Stimmen nutzt der Klavierstimmer eine präzise Klavierstimm-Technik, um die Tonhöhe der einzelnen verstimmten Saiten wieder aufeinander abzustimmen und ein ausgeglichenes Klangbild zu erzeugen. Die Saiten eines Chors müssen aufeinander abgestimmt werden, d.h. zwei oder drei Saiten eines gleichen Tones müssen dieselben Schwingungen aufweisen, und die Tonabstände zwischen den Chören müssen ausgeglichen gestimmt sein. Klingen die zwei oder drei Saiten eines Chors nicht gleich hoch, schwebt der Ton und vibriert, die hohen Töne klirren. In der untersten Oktave stimmt der Klavierstimmer nur je eine von Kupfer umsponnene, dicke Saite auf die oberen Töne ab.
Der Klavierstimmer verwendet zudem je nach Klavier-Stimmtechnik Stimmkeile aus Holz, Filz, Gummi oder Plastik, mit denen er einzelne Saiten abdämpft (stummschaltet), damit nur noch eine oder zwei Saiten des zu stimmenden Tons schwingen, und gleicht sie mit dem Stimmschlüssel aufeinander an. Auf dem Bild unten sehen Sie, wie in dieser Stimmtechnik der Klavierstimmer ein rotes Filzband zwischen die Chöre angebracht hat. Damit lassen sich die mittleren Saiten der Töne direkt stimmen. In der Folge entfernt der Klavierstimmer das Band, und die restlichen Saiten werden mit Hilfe des Gehörs auf die gestimmten mittleren Saiten angepasst.
Der Klavierstimmer überspannt die Saiten leicht und lockert sie anschliessend soweit, bis sie in der genauen Stimmlage sind. Gelegentlich klingt eine einzelne Saite unrein, so dass der Klavier- oder Flügelstimmer den entsprechenden Chor bzw. Ton nicht ganz rein stimmen kann. Solche unrein klingende Saiten könnte der Besitzer des Klaviers vom Klavierbauer ersetzen lassen.
Die Klavierstimm-Technik passt die einzelnen Tastentöne bzw. Chöre so an, dass sie untereinander möglichst rein klingende Tonabstände (Intervalle) einnehmen. Dabei gilt ein Ton als Referenz, von dem aus man alle anderen Tastentöne auf die entsprechende Höhe stimmt: der Kammerton a4, der standardmäßig auf die Frequenz von 440 bis 442 Hz (Schwingungen pro Sekunde, Hertz) festgelegt ist. Klaviere oder Flügel, die schon lange nicht gestimmt wurden, haben ein a4, das oft tiefer liegt, z.B. auf 435 Hz. Eine Erhöhung auf den Kammerton ist möglich und braucht zwei Stimmungen. Klaviere werden grundsätzlich nachhaltig auf der aktuellen Tonlage (engl. general pitch) gestimmt.
Klaviere und Flügel werden in der gleichstufigen Stimmtechnik gestimmt
In der gleichstufigen (gleichtemperierten, gleichschwebenden) Stimmung – diese Stimm-Technik wird seit dem 19. Jahrhundert auf praktisch allen Tasteninstrumenten wie Klavier, Orgel und Cembalo angewendet – werden die Oktaven in 12 gleich grosse Halbtöne von je 100 Cent und einem konstanten Frequenzverhältnis f2/f1 von ca. 1.06 (Zwölfte Wurzel aus zwei) aufgeteilt. Alle Halbtöne werden im Verhältnis 1 : 1.06 zu einander über die ganze Klaviatur gestimmt (In den tiefen und hohen Lagen ist das Verhältnis allerdings leicht verändert). In der gleichstufigen Klavierstimmung klingen Klavierstücke in allen 12 Tonarten gleich, keine Tonart klingt besser als die andere. Der Nachteil ist, dass nur die Oktave rein klingt, jedoch die anderen Intervalle eine leichte Schwebung erhalten. Dabei klingen die Quinte und Quarte (sie sind der Oktave am nächsten verwandt) relativ rein, jedoch ist eine leichte Schwebung in den Sekunden, Terzen, Sexten und Septimen nicht zu überhören. Reine Intervalle mit einem ganzzahligen Frequenzverhältnis können bundlose Instrumente wie die Geige oder das Cello wiedergeben, weil der Spieler mit den Fingern den exakten Tonabstand drücken kann. Auch Bläser können genauere Tonabstände blasen, weil sie mit der Blastechnik die Tonhöhe beeinflussen können. Auf dem Klavier werden die Tonabstände in der gleichstufigen Stimmung etwas zu eng gegenüber dem Ideal von reinen Intervallen gestimmt. Denn eine Anreihung von 12 reinen Quinten ergibt nicht genau den Abstand von 7 reinen Oktaven – er ist um etwa einen Achtelton (pythagoreisches Komma) zu hoch.
Stimmtechnik im Detail: Der Weg zum harmonischen Klavierklang
Mit Hilfe seines Gehörs kann der Klavierstimmer auch die mitschwingenden Obertöne (wie sie bei den Klavieren besonders deutlich zu hören sind) untereinander angleichen. Wenn ein Klavier gleichschwebend gestimmt ist, klingen die Obertöne der tiefen Töne gegenüber den Grundtönen der hohen Töne verstimmt; Grund dafür ist die Tatsache, dass Klaviersaiten nicht zu 100% elastisch sind und ihre Obertöne zu hoch klingen (Inharmonizität). Um dieses Problem zu lösen, wenden Klavierstimmer die sogenannte Gespreizte Stimmung (Stretched Tuning) an, bei der die tiefen Töne tiefer und die hohen Töne höher gestimmt sind. Diese Technik gleicht die Obertöne der tiefen Töne den Grundtönen der hohen Töne an und verbessert den Klang des Klaviers oder Flügels. Zudem hat das menschliche Ohr die Tendenz, hohe Töne tiefer zu hören. Die gespreizte Stimmung gleicht auch dies aus. Die Stimm-Technik des Stretched Tunings wird je nach Grösse der Klaviere und Flügel mit unterschiedlichen Saitenlängen auf unterschiedliche Weise angewendet. Idealerweise müssten Klaviersaiten unendlich lang sein, um optimale Obertöne zu erzeugen. Lesen Sie mehr dazu HIER.
Warum verstimmen sich Klaviere, Flügel und Cembalos?
Wenn Sie ein neues Klavier ins Haus stellen, müssen sich der Stimmstock aus Holz und der Rahmen aus Gusseisen, auf dem eine Saitenspannung von bis zu 20 t lastet, zunächst an das Mikroklima Ihrer Wohnung gewöhnen. Die Saitenspannung jeder einzelnen Saiten verändern sich unterschiedlich. Im Winter ziehen sich die Saiten etwas zusammen und tönen etwas höher. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass sich Klaviere mit der Zeit verstimmen. Klavier verstimmen sich im ersten Jahr nach dem Umzug stärker als in den darauffolgenden Jahren.
Faktoren, die zur Verstimmung Ihres Klaviers, Flügels oder Cembalos führen
- Raumtemperatur-Schwankungen in den Jahreszeiten
- Der allgemeine Zustand, Alter und Qualität des Klaviers
- Die Zeit, wie lange das Klavier nicht mehr gestimmt wurde
- Druck der Hämmerchen auf die Klaviersaiten beim Spielen
Selten gestimmte Klaviere haben meistens eine Stimmtonlage, die tiefer als auf A4 = 440 Hz liegt, weil die Spannung der Saiten etwas nachgelassen hat. Sie können nicht zum Mitspielen von digitaler Musik genutzt werden und müssten dazu höher gestimmt werden.
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